Um der Faszination des Faszientrainings näher zu kommen, widmen wir uns erst einmal den Faszien an sich. Viele fragen sich: Was hat es damit auf sich? Was bringt Faszientraining? Warum reden Mediziner, Trainer, Physiotherapeuten und Co. alle über Faszien und das Faszientraining. Das und vieles mehr erklären wir die in diesem Artikel.
In der Tat ist dieses muskuläre Bindegewebe besonders faszinierend. Aus mehrerlei Hinsicht. Es verdient nicht nur im Sport, sondern in Bezug auf die Gesundheit allgemein unsere Aufmerksamkeit: Faszien ziehen sich von der Oberfläche der Haut bis in die tiefliegenden Zellen des Bindegewebes.
Alles in unserem Körper ist durch diese extrem flexiblen Faszien miteinander verbunden – ein klug aufeinander abgestimmtes Geflecht. Dadurch übernehmen die Faszien im Körper viele Funktionen: Sie übertragen die Kraft, die aus den Muskeln kommt, sie kommunizieren innerhalb des Nervensystems mit diversen Botenstoffen.
Sie agieren sogar selbst als Sinnesorgan, das dir beispielsweile überhaupt erst ermöglicht, dich im Raum zu bewegen und zu orientieren. Auch für die Körperwahrnehmung sind die Faszien maßgeblich – Fachleute sprechen auch von «Propriozeption» und meinen damit u. a., wie du deine Stellung von Kopf, Rumpf und Extremitäten zueinander empfindest, wie du deine Lage im Raum siehst.
Faszien schützen aber auch die inneren Organe, wie Darm, Herz, Lunge, Nieren, und unterstützen diese beim Austausch wichtiger Nährstoffe. Und last but not least sind insbesondere die Faszien für deinen Body, deine Ausstrahlung, deine Körperform zuständig.
Früher hat man all diese Aufgaben ausschliesslich der Muskulatur zugeschrieben, doch neueste Forschung und Studien haben die Rolle des muskulären Bindegewebes neu definiert: Faszien umhüllen die Muskeln und sind damit so etwas wie der New Leader deines Körpers.
Das so wunderbar aufeinander abgestimmte Fasziensystem kann aber auch durcheinandergeraten: Belastungen im Alltag, Fehlhaltungen, eine ungesunde Ernährung, Entzündungen, Verletzungen, der normale Alterungsprozess und degenerative Krankheiten setzen auch den Faszien zu.
Dieses feine gallertartige Gewebe, das aus Wasser und Proteinen besteht, kann dadurch verfilzen. Die beinhalteten Wassermoleküle kristallisieren sich im ungünstigen Fall aus wie Flüssighonig, der mit der Zeit verdickt und irgendwann hart wird. Oft kannst du solche verhärteten Punkte oder verdickten Stellen (Fachbegriff: myofasziale Triggerpunkte) in deinen Muskeln und damit auch in den sie umgebenden Faszien mit den Händen ertasten. Zum Beispiel in den Beinen, bei Druck fühlt sich die betreffende Stelle knubbelig an.
Die gute Nachricht: Faszien sind keine starr definierte immer gleiche Masse. Faszien lassen sich verändern und darauf beruht auch die Wirkung des Faszientrainings. Bereits in ihrem Bauprinzip ist vorgesehen, dass das Netz zwischen der Wirbelsäule und den Knochen, den Sehnen und Muskeln genauso wie zu den und um die Organe herum unterschiedlich stark gewoben ist: Mal ist es fester, mal lockerer gestrickt.
Schließlich soll das Gewebe ja dehnbar sein, also weich und elastisch, aber auch stabilisieren und deshalb zug- und reißfest sein. Das bedeutet, die Bestandteile der Faszien – Elastin, Kollagen und eine wässrige Flüssigkeit – sind je nach Körperregion und Aufgabe unterschiedlich ausgeprägt.
Faszien wollen sogar verändert werden. Du kannst Faszien drücken, ziehen, kneten und dehnen. Zug und Druck, der etwa beim Training mit deinem Körper entsteht, lieben die Faszien. Sie mögen es auch, wenn du mit Tools wie den Faszienrollen oder den Triggerkelchen aktiv an der Dehnung der Muskeln arbeitest. Auch die Belastung im Training mit den Mini-Bändern oder aktiven Dehnübungen finden Faszien super.
Faszien brauchen solche Herausforderungen, um gesund zu bleiben: „Use it or lose it”, das Motto gilt auch für Faszien, und deshalb ist Bewegung und ein zielgerichtetes Faszientraining gegen Verspannungen und für mehr Beweglichkeit nicht nur faszinierend, sondern auch notwendig, damit die Faszien ihren vielerlei Aufgaben gerecht werden können.
Mit Dehnungen und Bewegung kannst du jedenfalls verklebtes fasziales Gewebe wieder lockern und lösen, so dass mehr Flüssigkeit durch die Strukturen fließen kann – Grundlage für eine gute Durchblutung und Versorgung mit wichtigen Nährstoffen. Folglich kannst du aktiv Schmerzen und degenerativen Prozessen entgegenwirken und deine Faszien mit Faszientraining optimal geschmeidig halten.
Kurzum: Die Wirkung des Faszientrainings ist vielfach.
Wenn du eine Orange durchschneidest, siehst du weisse Faserchen, die das Fruchtfleisch durchziehen. Genauso fein verästelt weben Faszien ein Netz durch den Körper. Wissenschaftler sprechen von einem «Fasziensystem»
«Alles ist durch eine Struktur von extrem flexiblen Faszien miteinander verbunden - es gibt keine freien Räume»,
so Jean-Claude Gimberteau. Der französische Chirurg hat Faszien erstmals in diversen Studien als lebendiges Gewebe sichtbar gemacht und erklärt: «Faszien ziehen sich von der Oberfläche der Haut bis in die tiefen Zellen des Bindegewebes.»
Forschende begreifen erst nach und nach, welche vielfältigen Aufgaben Faszien im Organismus wahrnehmen. Die Faszien und ihre Bedeutung für unseren Körper lassen sich auf die folgenden drei grossen Komplexe zusammenfassen:Grundsätzlich gilt: Wenn du bisher schon Sport treibst, ist das sehr zu begrüssen. Darauf kannst du in jedem Fall aufbauen. Denn: Es gibt im Sinne der Faszien keine falsche Bewegung. Beim Faszientraining legst du schlicht einen neuen Fokus auf bestimmte Bewegungsabläufe.
Gerade weil du jetzt genau um die unterschiedlichen Aufgaben der Faszien weisst, ist dir klar, dass sie durch unterschiedliche Trainingsarten gefordert werden wollen und müssen. Manche Übung aus dem Faszientraining mag dir bekannt vorkommen, so wie das gute alte Seilspringen.
Foam Rolling, die Selbstmassage mit einer Faszienrolle aus Schaumstoff oder einem Faszienball, ist wohl die bekannteste Form des Faszientrainings. Spricht man heute von Faszientraining, denken die meisten von uns eigentlich nur an diese eine Variante, die sogenannte «myofasziale Selbstmassage». Beim Training mit der BLACKROLL® werden gezielte Druckreize auf das Bindegewebe erzeugt.
So gelingt das Lockern der Faszien mit Übungen auf der Faszienrolle für Anfänger:innen: Beim Rollen nimmst du dir jede Körperpartie vor. Du fängst etwa an den Waden an und arbeitest deine Beine langsam nach oben hin ab.
Myofasziale Selbstmassage besteht aber aus noch mehr als der Faszienrolle. Zusätzlich zur grossflächigen Massage mit Faszienrolle und Faszienbällen unterschiedlicher Grösse und Ausprägung (Duo-Ball), unterscheiden wir noch die Triggerpunktmassage. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass tiefliegende Verklebungen («Fibrotisierungen») besonders in den Muskelsepten entstehen.
Statt deine Muskeln isoliert und statisch zu dehnen, wie es die Lehrbücher früher empfohlen haben, hast du beim Faszien-Dehnen ganze Muskelketten im Blick. Also etwa nicht nur die Wade, sondern gleichzeitig das Gesäss, den Rücken bis nach oben zur Kopfhautfaszie. Hintergrund: Faszien mögen es, wenn sie in alle Richtungen bis zu ihrer Endposition gezogen werden.
Fasziendehnung und Übungen fürs Faszientraining auch ohne Rolle nach dem Vorbild aus dem Tierreich: Die langkettige dreidimensionale Fasziendehnung ähnelt sehr dem, was eine Katze nach ihrem Nickerchen macht: Sie räkelt und streckt sich auf ganz besondere Weise. Die Katze geht in eine Aufspannung und verlängert sich dabei innerlich: Sie schiebt die Pfoten aktiv gegen den Boden und verlängert sich nicht nur in diese Richtung, sie erfährt automatisch auch eine Gegenverlängerung im Rumpf und den Hinterbeinen. Übrigens: Ein herabschauender Hund im Yoga kommt dieser Position sehr nahe.
Im Bereich der Fasziendehnung unterscheiden wir zwischen zwei Unterkategorien bei den Dehnungen: der aktiv geladenen Dehnung und der schmelzenden, passiven Dehnung.
Die aktiv geladene Dehnung (»Loaded Stretch») ist ein Muskellängentraining. Dabei kommt es zu einem Kraftaufwand in der Dehnung. Auf diesem Reiz reagiert der Körper mit einem Muskellängenwachstum und wird flexibler.
Die schmelzende Dehnung (»Melting Stretch») unterscheidet sich dahingehend, dass du die Muskulatur lockerlässt und Millimeter für Millimeter immer weiter in die Position hinein schmilzt. Im Gegensatz zum aktiven Muskellängentraining wird der Stretch hier deutlich länger gehalten. Diese Art des Dehnens wird zum Beispiel im Yin Yoga praktiziert.
Beide Techniken sind also Faszientraining ohne Rolle und beide Kategorien haben ihre Vorteile. Für eine ganzheitliche Faszien-Gesundheit solltest du beides ausprobieren.
„Ein gesundes Bindegewebe ist biegsam wie ein Bambus, reissfest wie ein Zugseil und ermöglicht federnde Bewegungen wie bei Gazellen,”
so sagt der Faszienforscher Robert Schleip. Das klingt gut und wenn du das für dich anstrebst, dann kannst du dich bei deinem Faszien-Workout an einem weiteren Vorbild aus dem Tierreich orientieren. Warum können Kängurus so hoch und weit springen? Das liegt am Katapult-Effekt. Sie gehen vor dem Absprung in Vorspannung. Beim eigentlichen Springen entlädt sich, wie bei einer entsperrten Feder, die gespeicherte Muskelenergie (»kinetische Energie»). Der Hintergrund: Faszien können Bewegungsenergie speichern, die Muskeln selbst halten isometrisch.
Manche Fragen betreffen die Geschmeidigkeit: Wie kannst du gleichzeitig dynamischer werden und trotzdem geschmeidiges Bindegewebe erlangen? Die Antwort ist das dritte Prinzip im Faszientraining: Mit gezieltem Faszien-Workout zurück zur faszialen Elastizität. Eine einfache Übung, die auf die fasziale Elastizität fokussiert, ist das Seilspringen. Das kannst du sowohl einbeinig, wie beim Absprung mit beiden Beinen ausprobieren. Dabei speichert sich die Bewegungsenergie in deinen Achillessehnen und wird sofort wieder in einen Absprung umgewandelt. Auch jenseits der Sprunggelenke kannst du fasziale Elastizität trainieren, dann kommen Gegen- und Pendelbewegungen ins Spiel. Diese Übungen sind erstmals ungewohnt, die beteiligten Sehnen werden steifer. Deshalb: Zwei Mal die Woche mit nur wenigen Wiederholungen sind zu Beginn dieses Faszientrainings ausreichend.
Über 100 Millionen Nervenenden befinden sich im faszialen Gewebe. Die höchste Dichte an Rezeptoren für die Körperwahrnehmung («Propriozeption») sitzt folglich in der faszialen Gleitschicht zwischen den einzelnen Muskeln. Du hast jetzt schon gelernt, was die Faszination des Faszientrainings ausmacht und welche Bedeutung das Faszientraining für deine Körperhaltung, dein Wohlbefinden und das gute Funktionieren der Organe, Muskeln, Sehnen und auch des Immunsystems hat. Darüber hinaus leiten Faszien nicht nur die Kraft aus den Muskeln weiter, sie können auch über die unzähligen Nervenimpulse Schmerzen nach Belastungen übertragen und sie sind so etwas wie dein Navigationssystem: Sie helfen dir, dich im dreidimensionalen Raum zu orientieren.
Koordinative Fähigkeiten werden eng assoziiert mit dieser Form des Faszientrainings. Das 4. Faszientraining: Fasziengymnastik zur Körperwahrnehmung gelingt relativ einfach, wenn du häufiger neue Impulse im Training setzt: Das kann etwa sein, dass du versuchst, den einbeinigen Stand (z.B. die Waage) mit geschlossenen Augen zu halten. Oder du integrierst instabile Untergründe wie Wackelbretter oder auch ein Kissen in dein Training. Dann erreichst du auch die Tiefenmuskulatur, die du bewusst nicht ansteuern kannst, die aber aktiviert wird, wenn deine Fussmuskulatur versucht, sich auf wackligem Terrain zu zentrieren. Auch wenn du bei der Fasziengymnastik mal einen anderen Winkel ausprobierst oder deine Muskelketten komplexere Aufgaben ausführen lässt, schulst du deine Körperwahrnehmung. Bei Übungen zur Körperwahrnehmung ist neugieriges Ausprobieren angesagt. Und wie bei allen vier Faszientrainingsformen ist es gut, wenn du bei der Bewegung in deinen Körper hineinspürst.