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Faszienforschung
Faszien 7 min Lesezeit

Faszienforschung: Was die Wissenschaft über Faszien weiß

veröffentlicht von Prof. Dr. Robert Schleip in Faszien am - aktualisiert am
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Prof. Dr. Robert Schleip

01. Wann wurden Faszien entdeckt - Die Geschichte der Faszien

Der erste Artikel, der in der medizinischen Datenbank PubMed veröffentlicht wurde und den Begriff Faszie beinhaltete, geht auf das Jahr 1814 zurück. Bereits hier wurde geschrieben, dass Faszien Muskeln trennen und Bewegung unterstützen (Mackesy 1814). Bis heute hat sich an dieser Betrachtungsweise nichts geändert, obwohl unzählige Studien zu Faszien hinzukamen.

Durch das hinzugewonnene Wissen hat sich das fasziale Verständnis jedoch deutlich erweitert und dadurch die Definition der Faszien mehrfach verändert. Dies gilt vor allem für die letzten vier Jahrzehnte. Mit zunehmender Faszienforschung wird sich auch weiterhin die Beschreibung von Faszien kontinuierlich verändern. (Adstrum und Nicholson 2019)

In einem aktuellen Update faszialer Nomenklatur lautet die Definition von Faszien etwas gekürzt und frei übersetzt: „Als Faszie kann jedes Gewebe bezeichnet werden, dass auf mechanische Reize reagieren kann. Das dreidimensionale Faszienkontinuum ergibt sich aus einer perfekten Synergie zwischen verschiedenen Geweben mit all ihren Feststoffen und Flüssigkeiten, die den gesamten Körper durchdringen, unterteilen, verbinden und ernähren – von der oberflächlichen Hautschicht bis tief zum Knochen.

Dazu zählen beispielsweise Muskel- und Nervenhüllen, Gelenkkapseln, Bänder, Sehnen sowie Blut- und Lymphgefäße mit den darin zirkulierenden Flüssigkeiten“ (Bordoni und Myers 2020; Bordoni et al. 2019; Bordoni et al. 2018).

Die tiefgründige Faszienforschung dauert mittlerweile mehr als drei Jahrzehnte an. Wir geben dir hier eine Übersicht über die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Studien zu Faszien.

02. Anatomie der Faszien

Die drei Faszienschichten

Faszien bestehen aus drei unterschiedlichen Schichten: der oberflächlichen, tiefen und parietalen/viszeralen Schicht (Gatt et al. 2020).

Die oberflächliche Faszienschicht beinhaltet viele elastische Fasern, wodurch sie ziemlich beweglich ist. Hingegen ist die tiefe Schicht, durch ihren hohen Anteil an kollagenen Fasern, deutlich fester und weist eine gewisse Dauerspannung auf.

Sie ist beispielsweise dafür zuständig, Kräfte, die von Muskel erzeugt werden, in benachbarte Regionen weiterzuleiten. Innerhalb dieser Regionen kommt es unter anderem zur Stimulation von Propriozeptoren, deren Informationen wichtig für die Körperwahrnehmung und -bewegung sind (Klingler et al. 2014).

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Kontraktilität der Faszien

Dass die Faszien eine ausschließlich passive Rolle bei der Kraftübertragung spielen, wurde in den letzten Jahren durch mehrere Studien der Medizin eindeutig widerlegt. Faszien beinhalten kontraktile Elemente, sogenannte Myofibroblasten, die bei der Kraftentwicklung mitwirken und diese modulieren können.

Zudem tragen sie dadurch zu einem gewissen mechanosensorischen Finetuning bei, wodurch Informationen aus dem Körper sensibler verarbeitet werden. Entgegen Muskeln kontrahieren sich Faszien jedoch autonom (bspw. wie der Herzmuskel). Das bedeutet, die Kontraktion unterliegt nicht der Willkür.

Durch ihre Kontraktionsfähigkeit können Faszien spontan ihre Steifigkeit regulieren und so über einen Zeitraum von Minuten bis Stunden aktiv bei der Gelenkstabilisation und dynamischen Bewegungen mitwirken. Kommt es zu einer Dysfunktion dieses regulatorischen Mechanismus, erhöht oder reduziert sich die myofaszialen Spannung und/oder es kommt zur Beeinträchtigung der neuromuskulären Koordination.

Beides kann zur Entstehung von verschiedenen muskuloskelettalen Beschwerden und Schmerzsyndromen beitragen. Es wird vermutet, dass eine Spannungserhöhung über Tage bis Monate kann sogar zu ernsthaften Gewebskontrakturen führen (Schleip und Klingler 2019; Klingler et al. 2014).

03. Faszienmodelle

Das Verständnis und die Erklärung, wie Faszien im menschlichen Körper wirken, hat sich im Laufe der letzten Jahre ebenso verändert. In der aktuellen Faszienwissenschaft werden drei Modelle diskutiert: das biotensegretive Model, fascintegretive Model und das Model der myofaszialen Ketten (Bordoni et al. 2019; Bordoni et al. 2018).

Biotensegritive Model

Das biotensegritive Model war zunächst durch den Begriff Tensegritiy Model geprägt. Tensegrity bezeichnet ein mechanisches Spannungsgleichgewicht innerhalb eines Konstrukts und kommt ursprünglich aus der Architektur (Abbildung 1 und 2). Daraus entstand das biotensegritive Model, um das Verständnis über das mechanische Spannungsgleichgewicht eines Konstrukts auf den lebenden Körper zu übertragen (Abbildung 3).

Anhand dieses Modells wird die stetige Anpassungsfähigkeit des Körpers mit all seinen Strukturen, ohne Beeinträchtigung ihrer Formen und Funktionen, erklärt. In diesen mechanischen Modellen werden allerdings die Körperflüssigkeiten nicht berücksichtigt, die ebenso zur mechanischen Spannung beitragen und dadurch die Form und Funktion des Körpers bestimmen.

Fascintegrive Model

Deshalb entwickelte sich das fascintegrive Model. Neben den festen Bestandteilen von Bindegewebe, die im biotensegretive Model berücksichtigt werden, schließt dieses Modell die Körperflüssigkeiten mit ein. Dazu zählen Blut und Lymphe, aber auch Flüssigkeiten innerhalb und außerhalb von Zellen. Dies spiegelt mehr den heutigen Wissensstand über das Faszienkontinuum wider.

Dennoch fehlen in diesem Model unter anderem die Berücksichtigung der emotionalen Ebene und Schmerz, die den Körper und das Fasziensystem ebenso stark beeinflussen können. Daher werden künftig sicherlich weitere Erklärungsmodelle aus der Forschung hervorgehen.

Myofasziale Ketten

Als myofaziale Ketten werden Bahnen von Muskeln und Faszien beschrieben, sie sich durch den gesamten Körper ziehen und die Spannungen von einer Körperregion auf andere nahegelegene oder entfernte übertragen können.

Obwohl Studien zeigten, dass Muskeln miteinander in Verbindung stehen und zwischen ihnen eine Kraftübertragung stattfindet, ist die Existenz von häufig beschriebenen myofaszialen Ketten nur teilweise wissenschaftlich nachgewiesen. Insbesondere ist ihre funktionelle Relevanz noch nicht vollständig verstanden.

Es gibt jedoch Hinweise, dass Störungen in myofaszialen Verbindungen zur Entwicklung von muskuloskeletalen Beschwerden beitragen können und dass deren Behandlung dem entgegenwirken kann (Ajimsha et al. 2020; Wilke und Krause 2019; Krause et al. 2016; Wilke et al. 2016).

All die beschriebenen Modelle stellen den menschlichen Körper als fasziales Kontinuum dar. Sie werden verwendet, um dieses zu erklären. Bis dato können sie jedoch nur als theoretische Modelle betrachtet werden, da Erfahrungen und wissenschaftliche Nachweise am lebenden Menschen in vieler Hinsicht fehlen. Weitere Faszienforschung wird benötigt, um die Komplexität des Fasziensystems sowie die entsprechende Funktionsweise vollständig zu verstehen (Bordoni et al. 2019).

04. Faszien in Verbindung mit (Rücken-)Schmerzen

Faszien können für Schmerzen verantwortlich sein. Dies wurde beispielsweise an der großen Faszie im Bereich des Rückens (Fascia Thoracolumbalis) nachgewiesen. Sie beinhaltet viele nozizeptive freie Nervenendigungen, die durch Mikroverletzungen oder eine Entzündung gereizt werden können, wodurch anschließend im Gehirn eine Schmerzwahrnehmung entstehen kann (Wilke et al. 2017).

Diese Erkenntnisse können wiederum auf Schmerzen bei Muskelkater oder einem Muskelfaserriss übertragen werden. Bei Muskelkater kommt es zu kleinen Einrissen der Muskelfaszie (Gibson et al. 2009) und ein Muskelfaserriss ist in der Regel eine myofasziale oder myotendinöse Läsion (Wilke et al. 2019).

Die genannten Nervenendigungen können aber auch durch eine pathologisch veränderte Faszie gereizt werden. Eine solche ist oftmals dicker und weist eine erhöhte Steifigkeit sowie reduzierte Gleitfähigkeit auf. Ursächlich ist eine Fibrosierung und Verklebung innerhalb der Faszienschichten, was durch eine dauerhaft veränderte Körperhaltung und unphysiologische Bewegungsmuster entstehen kann (Langevin et al. 2009; Klingler et al. 2014; Pavan et al. 2014).

Dies wurde erst kürzlich bei Probanden mit unspezifischen Rückenschmerzen nachgewiesen (Almeida et al. 2020). Die bei ihnen veränderte große Rückenfaszie führte auch zu einer Beweglichkeitseinschränkung der Wirbelsäule, wie es bei vielen Menschen mit Rückenleiden zu beobachten ist. Vor allem waren davon die Beugung und Rotation betroffen.

Was kann Abhilfe schaffen?

Ein Faszientraining, wie zwischenzeitlich mehrere Studien zeigen. Am häufigsten sind Studien zum Gebrauch der Faszienrolle mit folgendem Ergebnis veröffentlicht: Foam Rolling verändert die Fließeigenschaft der Flüssigkeit in den Faszien, verbessert die Durchblutung und Wasseraufnahme der Faszien. Dies verändert die Steifigkeit und Gleitfähigkeit von Faszien.

Zudem zeigt das Training mit der Faszienrolle eine Schmerzreduktion und Beweglichkeitsverbesserung. Auch wenn die Gründe hierfür noch nicht vollständig aufgeklärt sind, so ist es wahrscheinlich, dass es durch Foam Rolling zur Aktivierung von Mechanorezeptoren in der Haut und in den Faszien kommt, die einen zentralen Schmerzhemmmechanismus aktivieren und die Aktivität von Sympathikus und Parasympathikus (autonomes Nervensystem) regulieren sowie über eine Reflexantwort die myofasziale Spannung beeinflussen.

Die häufige Annahme, dass durch die Therapie mit Foam Rolling hauptsächlich verklebte Faszien gelöst werden, ist bis heute hingegen nicht bewiesen (Guzmán-Pavón et al. 2020; Rodríguez-Fuentes et al. 2020; Behm und Wilke 2019; Wilke et al. 2018).

05. Fazit Faszienforschung

Auch wenn vieles bezüglich der Faszien durch die Faszienforschung, unter anderem durch Dr. Robert Schleip, welcher an der Universität Ulm tätig ist, der letzten Jahre bekannt ist, so ist mindestens genauso viel oder noch mehr nicht bekannt. Das heutige Wissen lässt sich jedoch immer mehr verknüpfen und so wächst kontinuierlich das Verständnis über Faszien und die Wirkung des Faszientrainings. Ein Blick in die Glaskugel wäre spannend. Die Wissenschaft über Faszien wird sicherlich weitergehen.