In diesem Sommer finden die Olympischen Spiele in Paris statt. Alle Spiele? Nein. Die Surferinnen und Surfer treffen sich in Französisch-Polynesien, genauer gesagt auf Tahiti. Dort gibt es eine der berühmtesten und gleichzeitig gefährlichsten Wellen der Welt: Teahupo‘o. Camilla Kemp hat sich für die Spiele qualifiziert und darf sich für Deutschland in diese einzigartige Welle stürzen.
Wir haben mit Camilla kurz vor dem Abflug ins Trainingslager gesprochen.
Camilla sitzt vor ihrem Laptop. Ihr Haare glänzen blond, sie wirkt fit, frisch und munter.
BLR: Hallo Camilla, schön, dass es noch mit einem Interview vor den Olympischen Sommerspielen klappt. Wie geht es dir?
Camilla: Danke, mir geht's gut. Aber es ist grade natürlich viel los. Es ist eine spannende Zeit und auch ein bisschen stressig. Denn wir sind voll im Training für die Spiele.
BLR: Herzlichen Glückwunsch natürlich zur Qualifikation! Teahupo‘o ist ja eine ganz spezielle Welle…Extrem kraftvoll, hohl, bis zu 3,5 Metern hoch und nur wenige Zentimeter über einem Korallenriff. Wie bereitest du dich jetzt vor?
Camilla: Dadurch, dass die Welle ganz anders ist als normalerweise bei unseren Surfwettkämpfen ist das Training sehr spezifisch und speziell auf Teahupo‘o abgestimmt. Wir machen sehr viel Krafttraining, vor allem für den Oberkörper, für das Paddeln. Explosives Training mit schnellen Movements ist super wichtig, um dann im Wettkampf so schnell wie möglich in die Welle reinzukommen. Aber auch die Beine brauchen Kraft, um die Energie auszuhalten. Dazu kommt Cardio-Training und wir simulieren Situationen, wo wir, ohne Luft holen zu können, unter Wasser gedrückt werden. Denn das kann dir bei dieser Welle immer passieren.
BLR: Das ist krass! Vor einigen Wochen warst du ja bereits auf Tahiti und es gibt ein Youtube-Video von deinem Team-Kollegen Tim Elter, in dem zu sehen ist, dass du dort auch schon einen krassen Wipe-Out hattest!?
Camilla (lacht): Ja, das hat Tim nur reingeschnitten, um ein bisschen Drama reinzubringen. Ich glaube, mir ist dort wirklich alles passiert: Ich bin über das Korallenriff gespült worden, war mit dem Kopf auf dem Boden und habe einige Zeit unter Wasser verbracht. Aber ich habe das Gefühl, dass mich jeder Sturz stärker macht und mich besser auf den nächsten Trainingstag und mein Ziel, die Olympischen Spiele, näher bringt.
BLR: Hast du da keine Angst?
Camilla: Doch, die habe ich schon, ich glaube aber, dass es in ganz vielen Sportarten so ist, dass man mit der Grenze von Angst und Respekt spielen muss. Es ist dann einfach wichtig, dass mich diese Angst motiviert, mehr Commitment zu zeigen und mehr ins Risiko zu gehen. Die Wettkampfsituation, dann auch noch bei Olympia, wird mich da sicher sehr pushen.
Ich arbeite hier auch mit einem Mentaltrainer zusammen, um mich perfekt vorzubereiten. Surfen ist sehr mental, das denken viele Leute gar nicht. Mir helfen Atemübungen, um mich vor dem Wettkampf hochzufahren, oder wenn ich mir mal zu viele Gedanken mache, kann ich mich so wieder runterfahren.
Hier findest du Atemübungen von unserem Blackroll Coach Stefan
Camilla Kemp wächst in Portugal auf und eifert mit zwölf Jahren ihrem Bruder beim Surfen nach. Ihr Talent zeigt sich schnell, sie surft bei Wettkämpfen den anderen Mädchen davon. Da ist der Sport aber lange noch kein Bestandteil von Olympischen Spielen. Erst seit Tokio 2021 ist Surfen olympisch. Nach einem Verbandswechsel 2020 von Portugal nach Deutschland nimmt der olympische Traum konkrete Gestalt hat. Im April passen dann, wie Camilla es gerne sagt, die Puzzleteile zusammen. Sie bekommt die richtige Welle, kann zeigen, was sie kann und qualifiziert sich für Tahiti.
BLR: Einmal bei den Olympischen Spielen zu sein, ist für jede Sportlerin und jeden Sportler ein Traum. Es heißt immer: Dabei sein, ist alles. Ganz so ist es aber ja wahrscheinlich nicht?
Camilla: Ich finde, ich muss da schon ein bisschen zurückhaltend reingehen. In Tahiti sind die besten Surferinnen der Welt am Start. Das sind nur 24 Frauen – und ich gehöre schon dazu. Aber ich weiß, dass in dieser Sportart alles passieren kann. Deswegen möchte ich genauso weitermachen wie bei der Olympia Quali. Es geht um meine Performance und ich werde definitiv mein Bestes geben und auf eine Medaille zielen. Und wenn das Gold ist, dann ist das umso schöner. Aber für mich geht es im Sport immer um meine Performance. Medaillen und Trophäen sind nur ein Bonus.
BLR: Wir freuen uns auf jeden Fall schon darauf, deine Performance am TV-Gerät zu verfolgen und drücken dir natürlich die Daumen, dass alles zusammenpasst und du eine Medaille gewinnen kannst. In mehreren Interviews hast du bereits gesagt, dass es dir aber nicht nur um dich geht!?
Camilla: Genau, ich glaube, dass Deutschland bei den Olympischen Spielen beim Surfen vertreten ist, ist unfassbar wichtig für den Surf-Sport in Deutschland. Und ich hoffe, dass ich eine Inspiration für surfbegeisterte Mädchen in Deutschland sein kann. Jeder hat eine faire Chance, da mitzukämpfen, nicht nur wenn man aus Australien, Hawaii oder Brasilien kommt. Ich glaube daran, dass Tim Elter und ich als deutsche Surfer, die sich für Olympia qualifiziert haben, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für unsere Sportart schaffen können. Und das finde ich cool.
BLR: Du bist in Portugal aufgewachsen, Tim auf Fuerteventura. Was würdest du deutschen Nachwuchs-Surferinnen raten? Wie sollen sie anfangen?
Camilla: Also am Anfang braucht man Zeit und Durchhaltevermögen, um reinzukommen. Das kann wirklich sehr schwierig sein, da darf man einfach nicht aufgeben. Mit der Zeit kommt dann aber dieses Feeling, das richtige Timing und es wird dann von einem Moment zum anderen alles super natürlich. Surfpools, wie es jetzt auch einen in München gibt, können da natürlich sehr helfen.
Mädels, die gerade in die Wettkampfwelt reinwachsen wollen, würde ich sagen, dass die Resultate erstmal nicht so wichtig sind. Das Wichtigste ist, die richtige Technik zu haben und an seinem Surfen zu arbeiten. Die Resultate sind dann der Bonus.
BLR: Und wie sieht dann als Profi-Surferin ein normaler „Arbeitstag“ aus? Worauf dürfen sich Nachwuchsathletinnen freuen?
Camilla: Nach dem Aufstehen mache eine Aktivierung, also Yoga oder Mobility-Training. Hier kommen auch verschiedene Fitnessbänder von BLACKROLL zum Einsatz. Danach gehe ich normalerweise direkt Surfen. So zwei bis zweieinhalb Stunden circa. Nach einer Mittagspause geht es dann noch mal für eine kurze Session ins Wasser, bei der ich oft einen Wettkampf simuliere. Und danach noch mal ins Gym plus Faszientraining mit der Blackroll, Faszienbällen und Trigger Tools. Die benutze ich zum Beispiel, um Verspannungen zu lösen.
BLR: Da kommen ja ganz schön viele Trainingsstunden am Tag zusammen! Wie wichtig ist dir die Regeneration?
Camilla: Neben dem Faszientraining, achte ich darauf, mich gesund zu ernähren und ausreichend viel Schlaf zu bekommen. Denn es geht für uns Surferinnen und Surfer teilweise schon früh am Morgen raus ins Wasser. Damit ich auf Tahiti auch gut schlafen kann, nehme ich auf jeden Fall mein Recovery Pillow mit.
BLR: Vom Bett zurück ins Wasser: Was ist für dich das Beste am Surfen?
Camilla: Eigentlich ist es das Gefühl, dass man nie genau weiß, was man gerade vom Ozean bekommt, das ist einfach cool. Ich werde nie satt vom Surfen, es kommt immer irgendwie was Neues und muss mich immer wieder selbst herausfordern. Das macht echt süchtig.
Und wenn dann dieser perfekte Moment kommt, du in einer Tube stehst, da raus surfst, voll mit Endorphinen, dann ist das zwar irgendwie klischeehaft, aber es ist wirklich das beste Gefühl, das man fühlen kann.
BLR: Wir probieren es aus ;) Vielen Dank für das Gespräch!