Sie sind groß, schnell und stark: deutsche Handballspieler. Dominik Klein war einer von ihnen und hat über viele Jahre hinweg das Bild des deutschen Handballs geprägt. Er feierte ein historisches Triple, ist Weltmeister, Publikumsliebling und heute ARD-Experte für die anstehende Handball Europameisterschaft in Deutschland. Aber er kennt auch die Schattenseiten des Sports mit Niederlagen, Verletzungen und Selbstzweifeln. Wie er damit umgegangen ist und was er jungen Sportlern rät, hat er uns im Interview erzählt.
Im Rückblick ist es einfach zu sagen: Was hätte aus dem kleinen Dominik denn sonst werden sollen als ein erfolgreicher Handballspieler? Dominik ist im nordbayerischen Obernburg, einer Handballhochburg am Main, in einer handballverrückten Familie aufgewachsen. Er wurde von seinen Eltern und dem älteren Bruder gefördert und ist mit dem nötigen Talent ausgestattet. Nur ist das zu einfach gesagt. Denn neben dem entsprechenden Umfeld, Talent, Fleiß, Motivation und etwas Glück ist es oft die mentale Stärke, die den Unterschied macht. Dominik hat das schon früh in seiner Karriere erkannt, vielleicht auch erkennen müssen.
Als er nach seinen großen Erfolgen in jungen Jahren 2010 vom damaligen Bundestrainer Heiner Brand nicht für die Europameisterschaft nominiert wurde, suchte er sich Unterstützung beim Performance Coach Jürgen Boss. Und fand so am Ende wieder zur alten Stärke zurück.
„Es braucht diesen Moment der Selbstreflektion, um dann zu sagen: Gib mir mal die Nummer. Beim ersten Gespräch mit Jürgen hat es dann keine zwei Minuten gebraucht, bis ich aufgestanden bin und ihm gezeigt habe, wie es ist, in der Abwehr zu stehen.
Und das alles nur mit der Frage: Wie fühlt es sich an? Er hat damit mein
inneres Feuer geweckt. Von diesem Moment an haben wir von 2010 bis 2018 vor
jedem Spiel zwei Stunden telefoniert, einfach nur miteinander gesprochen“,
erzählt Dominik.
In den Telefonaten ging es immer um die Kernfrage, wie es gelingen kann, sich selbst in einen guten Zustand zu bringen. Das ist individuell. Bei Dominik war der Schlüssel, Dinge loszuwerden, die ihn beschäftigt haben. Sich zu fokussieren, sich nicht über Mitspieler oder Gegenspieler aufzuregen, ein weiterer Faktor. Denn die konnte er ohnehin nicht beeinflussen und die Energie, die dort verloren geht, fehlt unter Umständen in der entscheidenden Spielphase.
Bei den Gesprächen war es aber auch wichtig, über positive Dinge zu sprechen, um auch zu sehen, dass doch sehr viel gut läuft, betont Dominik. Heute zählt Dominik die Telefonate mit seinem Performance Coach zu einem wichtigen Puzzleteil seiner erfolgreichen Karriere. Erfolg definiert Dominik übrigens so, dass Titel wiederholt und Leistung über einen längeren Zeitraum erbracht werden müssen.
„Wenn ich heute einem Jugendlichen etwas empfehlen würde, dann ist es, sich mal mit jemanden auszutauschen, der vielleicht nicht aus dem Sport kommt. Dem einfach mal zu erklären, was er da eigentlich macht und wie sich das anfühlt"
Ein weiterer Tipp vom ARD-Experten ist, sich selbst die Frage zu stellen, was eigentlich das Schlimmste ist, was passieren kann. Und die Erkenntnis daraus sollte, zumindest im Sport sein, dass das Schlimmste gar nicht so schlimm ist. Mit diesem positiven Mindset ist es einfacher, erfolgreich zu sein.
Die positive
Einstellung hat Dominik auch bei der Reha geholfen, als er sich nach einem
Kreuzbandriss zurückkämpfen musste. „Ab dem Zeitpunkt, als ich nach der OP
aufgewacht bin, gab es für mich nur noch eins, kein Zurückgucken mehr, sondern:
Come back stronger! Das war der Hashtag, den ich mir da gesetzt habe. Im
Nachhinein möchte ich diese Zeit auch nicht missen, denn ich habe da viel über
mich selbst gelernt“, erzählt Dominik.
Den Comeback-Moment mit Einwechslung in den letzten Minuten und dem spielentscheidenden Tor ist ebenfalls ein Highlight seiner Karriere. Verständlich. Hier ist der Gänsehautmoment zu sehen:
Dass es für den sympathischen Linksaußen mit positiver sowie sozialer Lebenseinstellung auch eine Karriere nach der Karriere geben wird, war immer klar. Mittlerweile ist er Geschäftsführer vom Bayerischen Handballverband, Sport Speaker vor Mitarbeitern und Kunden sowie gefragter TV-Experte. Auch in diesen Funktionen ist es für Dominik wichtig, sich Auszeiten und Ruhe zu gönnen, um neue Energie zu bekommen. Nur so kann er seine Werte nach außen tragen und die Leidenschaft und Erfahrungen, die er in seiner Karriere sammeln durfte, weitergeben.
Den jungen deutschen Spielern rät er für die Heim-EM, unbekümmert, unberechenbar zu sein und mit einem gewissen jugendlichen Leichtsinn sowie einer positiven Leichtigkeit in die Spiele zu gehen. Frei nach dem Motto: Einfach mal machen, Fehlerkultur erlauben, aus Fehlern lernen, um dann erfolgreich zu sein.
„Aber allein das Kapitel mitschreiben zu dürfen, ein Weltrekordspiel vor 53 000 Zuschauern in einem ausverkauften Fußballstadion zu machen. Allein diese Story muss einen dermaßen beflügeln, dass ich sage:
"Nach mir die Sintflut, wir gehen da jetzt rein und machen alles dafür, dass wir diesen euphorischen Schritt, diesen Startschuss geben für eine Hammer EM“
, sagt Dominik, nicht ohne selbst schon ein bisschen
euphorisiert zu sein.
Wenn die deutsche Mannschaft ihr flüssiges Spiel aus den Vorbereitungen zeigen kann, mit Kampfgeist in die Spiele geht und die Atmosphäre der Heim-EM nutzt, sieht Dominik die Mannschaft mindestens im Halbfinale.
Wir hoffen, er behält recht, freuen uns darauf und drücken die Daumen.