Ob Pille, Hormonspirale oder Dreimonatsspritze - hormonelle Verhütung gehört für viele Frauen und Sportlerinnen zum alltäglichen Leben dazu. Dabei ist der Schutz vor einer ungewollten Schwangerschaft nur einer von vielen Gründen, warum Frauen täglich zu einem Hormonpräparat greifen. Doch was bedeutet das eigentlich für den Körper - und vor allem für deine sportliche Leistung? Weniger Zykluschaos, mehr Kontrolle über den eigenen Körper - oder sind die künstlichen Hormone tatsächlich ein heimlicher Leistungsdämpfer? Wir schauen auf Studien, räumen Mythen auf und geben dir praxisnahe Tipps für Training und Regeneration mit (oder ohne) Pille & Co.
Hormonelle Verhütungsmittel wie die Antibabypille, Minipille, Hormonspirale, Dreimonatsspritze und Hormonimplantat beeinflussen den natürlichen Hormonhaushalt, um den Menstruationszyklus zu regulieren und eine Schwangerschaft zu verhindern. Häufig werden sie aber auch zur Behandlung von Zyklusstörungen, starker Menstruation, Akne oder hormonell bedingten Beschwerden wie PMS oder Endometriose eingesetzt. Sie können helfen, den Hormonhaushalt zu stabilisieren und dadurch körperliche sowie psychische Symptome zu lindern. Kein Wunder, dass hormonelle Präparate weit verbreitet sind: Etwa 30–50 % aller Frauen nutzen sie - darunter auch viele Sportlerinnen. Bei den Profis liegt die Zahl sogar etwas höher. Aber warum ist das so?
Hormonelle Verhütungsmittel bringen neben der Verhütung auch eine gewisse Planbarkeit mit sich. Das ist gerade bei internationalen Wettkämpfen oder intensiven Trainingszyklen manchmal ein Vorteil, um zyklusbedingte Leistungsschwankungen oder Beschwerden zu verringern. Während aus medizinischen Gründen hormonelle Verhütungsmittel oft zur Behandlung starker Regelschmerzen oder PMS eingesetzt werden, wird daher die Pille manchmal im Sport gezielt eingesetzt, um während wichtiger Wettkämpfe auf die Periode zu verzichten. Aber ist es wirklich sinnvoll, den natürlichen Hormonzyklus dafür zu unterdrücken?
Erholsamer Schlafen in heißen Nächten
Der natürliche Zyklus ist ein fein abgestimmtes System, das nicht nur die Fruchtbarkeit, sondern auch zahlreiche andere Körperfunktionen steuert - darunter auch Energiehaushalt, Stimmung und Regeneration. Der natürliche Menstruationszyklus dauert im Schnitt 28 Tage, kann aber je nach Frau zwischen 21 und 35 Tagen variieren. Dabei kann der Zyklus auch von Monat zu Monat starke Schwankungen aufweisen, dank des variierenden Hormonspiegels von Östrogen und Progesteron. Das beeinflusst nicht nur die Länge und Dauer des Zyklus und der Menstruation, sondern auch die Stimmung, Energielevel und in manchen Fällen vermutlich sogar die Leistungsfähigkeit.
Hormonelle Verhütungsmethoden – insbesondere die kombinierte Antibabypille – greifen gezielt in dieses fein abgestimmte System ein: Sie unterdrücken den natürlichen Hormonzyklus und ersetzen ihn durch eine konstante, künstlich zugeführte Hormonlage. Dadurch werden Blutung, Zyklusdauer und begleitende Beschwerden deutlich berechenbarer. Für viele Frauen bedeutet das mehr Stabilität im Alltag – und für Athletinnen eine willkommene Kontrolle über Trainings- und Wettkampfplanung.
Doch diese hormonelle Steuerung hat auch ihre Kehrseite. Nicht jede Frau verträgt die gleichmäßige Hormonzufuhr problemlos - mögliche Nebenwirkungen reichen von Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen und Libidoverlust bis hin zu Zwischenblutungen oder Leistungseinbußen. Hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille können auch das Risiko für Blutgerinnsel (Thrombosen) geringfügig erhöhen. Hinzu kommt: Die durch die Pille ausgelöste monatliche Blutung ist keine „echte“ Menstruation, sondern eine sogenannte Entzugsblutung – rein hormonell erzeugt und ohne Bezug zu einem Eisprung. Der natürliche Zyklus wird dabei vollständig unterdrückt.
Gerade im Leistungssport ist das relevant: Eine regelmäßige, natürliche Periode gilt als wichtiger Indikator und Vitalzeichen für ein funktionierendes hormonelles Gleichgewicht und eine ausreichende Energiezufuhr. Fehlt sie - etwa aufgrund eines relativen Energiedefizits (RED-S) - kann das langfristig schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Die Pille versteckt dieses Warnsignal, was dazu führen kann, dass Probleme erst spät erkannt werden.
Die Entscheidung zur hormonellen Verhütung zu greifen ist also sehr individuell - der Wunsch nach Stabilität, Kontrolle und weniger hormonellem “Chaos” trifft hier auf künstlich zugeführte Hormone und einen Eingriff in den natürlichen Hormonhaushalt. Ein “Besser” oder “Schlechter” ist hier schwer zu definieren, da die Beweggründe sehr individuell sind. Aber wie sieht es aus, wenn wir den Blick auf die wissenschaftlichen Fakten richten? Was sagen aktuelle Studien zur Wirkung hormoneller Verhütung auf den weiblichen Körper - insbesondere im Hinblick auf sportliche Leistungsfähigkeit, Trainingseffekte oder die Regeneration?
Ob Laufen, Radfahren oder Schwimmen - Ausdauer ist in vielen Sportarten ein wichtiger Leistungsfaktor. Aber wie steht es um die Ausdauerleistung wenn du hormonell verhütest? Aktuelle Studien zeigen: Die Effekte von hormonellen Präparaten wie der Pille auf die Ausdauerleistung sind sehr individuell - und insgesamt weniger dramatisch, als viele Studien vermuten lassen.
Einzelne Studien, wie die von Barba-Moreno et al. (2022), zeigen zwar, dass Frauen während der aktiven Pillenphase (also bei durchgängiger Hormonzufuhr) eine etwas höhere Atemfrequenz und Atemminutenvolumen aufweisen. Das bedeutet, dass die Sauerstoffkapazität leicht eingeschränkt ist. Trotz der erhöhten Atemparameter blieb aber die tatsächliche maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) jedoch unverändert. VO2max gilt als wichtiger Indikator für die aerobe Leistungsfähigkeit im Ausdauersport und gibt an, wie viel Sauerstoff der Körper unter maximaler Belastung aufnehmen und verwenden kann. Je höher dieser Wert, desto höher auch die Ausdauerleistung.
Eine systematische Übersichtsarbeit von Nolan et al. (2023) fasst die bisherige Studienlage zusammen und kommt zu einem klaren Ergebnis: Die Einnahme von oralen Kontrazeptiva (OCPs) hat keinen signifikanten Einfluss auf die Ausdauerleistung. Mit anderen Worten: Für die meisten Frauen ist die Wirkung neutral - weder leistungsfördernd noch -hemmend.
Was heißt das für dich als Sportlerin? Die meisten Hobbysportlerinnen spüren nur minimale Unterschiede in der Ausdauerleistung mit hormoneller Verhütung. Wenn du aber im Hochleistungssport aktiv bist, kann es interessant sein, das subjektive Anstrengungsgefühl, insbesondere dann, wenn sich das Atemgefühl verändert, zu beobachten.
Vorsicht! Viele Artikel beschreiben oft klare, drastische Effekte in Bezug auf die Ausdauerfähigkeit und hormonelle Verhütungsmittel. Die wissenschaftliche Realität betrachtet dieses Thema jedoch differenzierter: Die meisten Studien berichten, wenn überhaupt, nur von kleinen, oft statistisch nicht signifikanten Unterschieden. Viele Studien arbeiten dabei mit sehr kleinen Probandenzahlen, was die Aussagekraft einschränkt.
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Mehrere Studien haben untersucht, ob hormonelle Verhütung wie die Antibabypille oder die Hormonspirale die Muskelkraft und den Muskelaufbau beeinflussen können. Einige Hinweise deuten darauf hin, dass die Einnahme oraler Kontrazeptiva den freien Testosteronspiegel leicht senken kann, was theoretisch das Kraftwachstum hemmen könnte.
Hier ist vor allem die Zusammensetzung und welche Art von Gestagen im künstlichen Präparat enthalten ist, wichtig. Manche Pillen enthalten z.B. Gestagene mit höherer Androgenwirkung, wie Levonorgestrel und Gestoden, die den freien Testosteronspiegel senken und dadurch den Muskelaufbau hemmen könnten. Die Auswirkungen auf den Muskelaufbau können aber variieren und hängen auch von der eigenen Verträglichkeit ab. Deshalb ist auch die individuelle hormonelle Anpassung und regelmäßiges Monitoring, z.B. bei Unverträglichkeit der Pille, sehr wichtig.
Viele Untersuchungen zeigen allerdings keine oder nur sehr geringe Unterschiede in der maximalen Kraft- und Muskel-Protein-Synthese zwischen Frauen mit natürlichem Zyklus und Frauen, die OCPs einnehmen. Dies spricht dafür, dass konsequentes Krafttraining, eine gute Ernährung - insbesondere ausreichend Protein - und eine strukturierte Regeneration die marginalen Effekte und Unterschiede ausgleichen können.
Wie wir wissen, spielt unsere Psyche eine zentrale Rolle, wenn es um Sport und Leistungsfähigkeit geht - Konzentration, Motivation und Stressresistenz hängen stark von unserem mentalen Zustand ab. Einige Studien berichten, dass Frauen unter der Einnahme von OCPs häufiger über Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit oder depressive Verstimmungen klagen. Eine vielzitierte dänische Langzeitstudie Skovlund et al. (2016) fand sogar ein erhöhtes Risiko für depressive Symptome bei jungen Pillennutzerinnen - besonders in den ersten sechs Monaten nach Beginn der Einnahme.
Gleichzeitig gibt es jedoch viele Athletinnen, die genau das Gegenteil erleben: weniger emotionale Schwankungen, stabilere Stimmung und eine spürbare Entlastung von PMS-Symptomen oder zyklusbedingten Stimmungstiefs. Diese gegensätzlichen Erfahrungen zeigen, wie individuell die Wirkung der Pille auf die Psyche sein kann, abhängig von dem konkreten Hormonpräparat, der eigenen Hormonsensibilität und auch von Lebensstilfaktoren wie Stress, Schlaf oder Ernährung.
Fazit: Wer sportlich leistungsfähig sein will, muss sich nicht nur körperlich, sondern auch mental gut fühlen. Deshalb lohnt sich ein genauer Blick auf die eigene Stimmungslage und gegebenenfalls eine individuelle Anpassung des Verhütungsmittels.
Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass die Einnahme von hormonellen Präparaten, wie der Pille, keine signifikant negativen Effekte auf die allgemeine Muskelregeneration hat. Jedoch zeigen vereinzelte Studien, dass die Regeneration nach intensivem Training zumindest in einzelnen Bereichen durch die künstliche Hormonzufuhr beeinflusst werden kann:
In einer aktuellen Studie der Aarhus University (Oxfeldt et al., 2024) mit 40 trainierten Frauen (20 mit und 20 ohne orale Kontrazeptiva) zeigte sich zwar insgesamt kein negativer Effekt auf die Muskelregeneration, jedoch erholte sich die isokinetische Muskelkraft bei Nicht-Nutzerinnen etwas schneller. Isokinetische Muskelkraft beschreibt die Kraft, die ein Muskel bei einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit entwickelt. Zum Beispiel, wenn du beim Rudern auf dem Ergometer mit gleichbleibender Geschwindigkeit ziehst, egal wie stark du das Griffstück wegziehst. Zwar war der Unterschied nur gering, doch gerade im Hochleistungssport, wo eine rasche Regeneration entscheidend ist, könnte er relevant sein.
Eine weitere Studie von Lebrun et al. (2021) bestätigt, dass OCPs zwar keine signifikanten Auswirkungen auf die allgemeine Kraftentwicklung haben, aber subtile Veränderungen im Muskelstoffwechsel und der Entzündungsreaktion während der Regeneration möglich sind. Solche Effekte sind zwar oft schwer messbar, können jedoch bei intensiven Trainingszyklen oder Wettkampfphasen die Erholungsfähigkeit beeinflussen.
Im Hinblick auf die Regeneration bleibt der Einfluss hormoneller Verhütung aber wie immer individuell. Es fehlen auch hier hochwertige Studien, um klare Empfehlungen für Training und Erholung abzuleiten. Umso wichtiger ist es, eigene Strategien zu entwickeln, um die Regeneration zu optimieren.
Wir wissen, dass die Regenerationsfähigkeit von vielen Faktoren beeinflusst werden kann: Schlaf, Ernährung, Intensität des Trainings, Stresslevel, Alter - und natürliche und synthetische Hormone, wie bei der Pilleneinnahme. Auch wenn hormonelle Verhütung die Regeneration nur minimal zu beeinflussen scheint, kannst du trotzdem Strategien in deinen Trainingsalltag einbauen, die deine Erholung maximiert:
Stressmanagement: Stressbewältigung hört sich leichter an, als es in der Praxis umzusetzen ist. Wir wissen, dass Training und Alltagsbelastungen unseren Körper sowohl physisch als auch psychisch stressen können. Das belastet den Körper und kann zu langsamerer Regeneration führen. Deswegen lohnt es sich, regelmäßig Techniken wie Meditation oder Atemtraining einzubauen, um den Stresspegel möglichst niedrig zu halten.
Individuelle Trainingsanpassung: Eine gezielte Anpassung an die unterschiedlichen Phasen deines Zyklus, so wie es beim zyklusbasierten Training passiert, ist bei der hormonellen Verhütung nicht mehr möglich. Trotzdem lohnt es sich, auf individuelle Körperreaktionen zu achten und auf Phasen mit niedrigerer oder höherer Belastbarkeit einzugehen. Passe deine Trainingsintensität- und umfang flexibel an deine körperliche und mentale Stimmung an.
Die Forschung zeigt: Orale Kontrazeptiva beeinflussen sportliche Leistung nicht generell negativ, aber sie können Effekte auf Ausdauer, Kraft, Stimmung und Regeneration haben- vor allem abhängig vom Präparat und der individuellen körperlichen Reaktion:
Ausdauerleistung (VO₂max): Die Pille hat keinen signifikanten Einfluss auf die maximale Sauerstoffaufnahme. Einige Studien zeigen minimale Veränderungen in Atemparametern, aber keine merklichen Auswirkungen auf die Ausdauerleistung.
Muskelaufbau: Die Pille kann den Testosteronspiegel leicht senken, was theoretisch den Muskelaufbau beeinträchtigen könnte. Das hängt maßgeblich von der Zusammensetzung und Art des enthaltenen Gestagens in deinem Hormonpräparat ab. Die meisten Studien können aber keine signifikanten Unterschiede finden.
Mentale Aspekte: Die Auswirkungen auf die Psyche sind individuell unterschiedlich. Einige Frauen berichten von Stimmungsschwankungen, während andere eine stabilere Stimmung erleben, als im natürlichen Zyklus.
Regeneration: Einige Studien deuten darauf hin, dass die Pille die Regeneration nach intensivem Training beeinflussen kann, insbesondere bei der Erholung der isokinetischen Muskelkraft. Achte daher - ob mit Pille oder ohne - auf ausreichend regenerative Maßnahmen in deinem sportlichen Alltag.
Wenn du das Gefühl hast, dass deine Leistung oder Regeneration unter deiner gewählten Verhütungsmethode leidet, ist ein Gespräch mit deinem Arzt oder deiner Ärztin der nächste Schritt. Wenn du einen Wegweiser brauchst, stelle dir folgende Fragen:
Warum nehme ich hormonelle Verhütung primär? (Verhütung, Planbarkeit des Zyklus, Schmerztherapie?)
Vertrage ich mein Hormonpräparat gut?
Gibt es Alternativen - eventuell auch nicht hormonelle - die ich besser vertragen würde?